Hybride Arbeit und die damit verbundenen Technologien, Werkzeuge und Plattformen bieten viele neue Möglichkeiten und Chancen aber welche Herausforderungen sind damit verbunden und was bedeuten diese für die Gestaltung moderner Arbeitswelten?
Ein Interview mit Robin Clark Klimaschewsky von Sedus:
HÖLL: Können Sie uns etwas genauer darüber informieren, was Digital Fatigue ist und welche Faktoren dazu beitragen?
Robin: „Digital Fatigue“ beschreibt einfach gesprochen die Ermüdung oder Erschöpfung von Personen getrieben durch eine nicht optimal geplante bzw. strukturierte Nutzung/Angebot digitaler Tools in einer hypervernetzten Welt. Digitale Müdigkeit ist somit ein Zustand, in dem sich Menschen von zu vielen digitalen Reizen überwältigt fühlen. Sie entwickelt sich in ungeeigneten Arbeitsumgebungen, bei schlechtem Teammanagement, bei Informationsüberflutung oder bei der Überlastung der Terminplanung. Da die digitale Müdigkeit auch zu einem schlechten Wohlbefinden bei der Arbeit beiträgt, sowohl im Büro als auch zu Hause, ist es wichtig zu verstehen, wie man damit umgeht, um Frustration, Desengagement und eine generell schlechtere Mitarbeitererfahrung zu vermeiden.
HÖLL: Welche Auswirkungen hat Digital Fatigue auf die physische und mentale Gesundheit von Menschen? Gibt es spezifische Symptome, auf die man achten sollte?
Robin: Was wir oft übersehen ist, dass die Umwandlung von Büros in digitale Arbeitsplätze mehr erfordert als die Verwaltung einer Reihe von sich ständig weiterentwickelnden Technologien. Wir müssen unsere Arbeitsweise und Fähigkeiten anpassen. Dazu zählen bspw. das Managen unserer Zeit vor den Bildschirmen, das Steuern verschiedene Geräte und Plattformen und das Erinnern an die „analogen“ Grenzen, die wir als Menschen nun mal haben. Andernfalls kann die digitale Müdigkeit zu schwerwiegenderen und anhaltenden Problemen wie Stress, Burnout, klinischer Arbeitsunfähigkeit und Apathie führen.
Die Symptome kann man ich in 3 Bereiche unterteilen:
- Physische, wie z.B. Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder niedriges Energielevel
- Kognitive, wie z.B. andauernde Ablenkung oder
- Herausforderungen bei der Entscheidungsfindung
- Emotionale, wie z.B. mangelnde Motivation, Niedergeschlagenheit oder gesteigerte Emotionalität
HÖLL: Welche Maßnahmen oder Strategien können Einzelpersonen ergreifen, um die Auswirkungen von Digital Fatigue zu reduzieren und ihre digitale Gesundheit zu fördern?
Robin: Für Einzelpersonen geht es primär darum, sich für das Thema zu sensibilisieren und proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um perspektivische Überforderungen in Bezug auf bspw. interne Prozesse, bestehende Zeithorizonte oder weitere Rahmenbedingungen, wie die Arbeitsumgebung zu vermeiden. Unter anderem geht es dabei um die optimale Nutzung von Konzentrationszeiten und damit einhergehenden Pausen, Pflege des eigenen Wohlbefindens durch bspw. die Ernährung, Fitness oder Achtsamkeitsübungen sowie mögliche räumliche Trennung für digitale und nicht-
digitale Aufgabenstellungen.
HÖLL: Wie können Arbeitgeber dazu beitragen, Digital Fatigue bei ihren Mitarbeitern zu minimieren und gesunde Arbeitsumgebungen zu schaffen?
Robin: Aus meiner persönlichen Sicht liegt der größte Hebel in einem emphatisch strategischen Ansatz und entsprechender Planung der Unternehmung in Verantwortung für Ihre Belegschaft. Im Kern geht es um die Förderung des Wohlbefindens durch bspw. die Schaffung einer nicht nur geeigneten, sondern vielmehr inspirierenden Arbeitsumgebung. Analog zu meiner vorherigen Aufführung sollten auch im unternehmerischen Kontext Bereiche geschaffen werden, die es ermöglichen sich zu entspannen, persönliche Achtsamkeit oder körperliche Betätigung auszuüben. Zudem helfen „echte“ Anwendungsschulungen und klare Arbeitsabläufe Missverständnissen oder Berührungsängsten vorzubeugen. Werden darüber hinaus Richtlinien für das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen mitgestaltet, somit Grenzen gesetzt und auch respektiert, ist die Vermeidung des Phänomens „Digital Fatigue“ deutlich wahrscheinlicher.
HÖLL: Welche langfristigen Trends oder Veränderungen erwarten Sie im Zusammenhang mit Digital Fatigue und der Art und Weise, wie Menschen digitale Technologien nutzen?
Robin: Digitale Müdigkeit und Burnout können auf drei verschiedenen Ebenen bekämpft werden: organisatorisch, technologisch und individuell. Sobald es uns gelingt, nutzbare, zweckmäßige digitale Arbeitsplätze zu schaffen, die die Produktivität und das Wohlbefinden der Menschen fördern, werden wir feststellen, dass Unternehmen und Arbeitnehmer*innen in diesem Bemühen vereint sind. Erstere sollten kulturelle Elemente, Führungspraktiken und organisatorische Maßnahmen einbinden, die eine gesunde und vernünftige Nutzung der Technologie am Arbeitsplatz fördern; letztere sollten dabei unterstützt werden, die richtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, um den digitalen Arbeitsplatz optimal zu nutzen und ihr Wohlbefinden während der Nutzung zu schützen. Unternehmen und Arbeitnehmer müssen gemeinsam einen bewussten und vernünftigen Umgang mit der Technik fördern. Zur Vermeidung digitaler Müdigkeit geht es nicht darum, die Nutzung von Technologie zu verbieten oder einzuschränken, sondern funktionale und benutzerfreundliche, stets präsente, aber nicht aufdringliche Plattformen und digitale Werkzeuge zu fördern. Wir haben diese Qualität „digitale Weisheit“ genannt, die - in den Worten einer Untersuchung von Deloitte - zu einer „nahtlosen, hyper-personalisierten und kontinuierlich verbesserten Arbeitserfahrung“ führt. Die richtige Einstellung des Einzelnen, eine gute Synergie in der Arbeitsgruppe, die richtige technologische Infrastruktur und ein - physischer oder virtueller - Arbeitsplatz, der so gestaltet ist, dass er Wohlbefinden und Engagement fördert, sind die vier Elemente, die zur Erreichung dieser „digitalen Weisheit“ beitragen können.